Neuauflage der ÖNORM B 1801 - Kommentar Erich Kern

DI Erich Kern Foto: Sandra Schartel

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das aktuelle Beispiel der Neuauflage der ÖNORM B 1801-1:2021 – Bauprojekt- und Objektmanagement, Teil 1: Objekterrichtung (Ersatz für ÖNORM B 1801-1:2015-12) zeigt deutlich, warum es evident ist, dass wir als ZiviltechnikerInnen eine wichtige Rolle bei der Festschreibung des „Stands der Technik“ spielen: Denn auch wenn oft auf die sogenannte „Freiwilligkeit“ von Normen verwiesen wird, so können diese natürlich gerade im Fall von Haftungsfragen im Zuge von Rechtsstreitigkeiten de facto verbindlich werden und zu großen Problemen führen.

In der genannten Neuauflage sind unter Punkt 4.3.4 erstmalig Vorgaben für die Genauigkeit des Kostenplans mit fortschreitender Projektphase angeführt. Dabei wird den jeweiligen Projektphasen eine Genauigkeit in Form einer maximalen Abweichung von den dargestellten Kosten zugewiesen. Diese irreführenden Werte halten aufgrund der Volatilität der Einflussfaktoren und -parameter einer fachlich-wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand und entsprechen daher nicht dem Stand der Technik. Die Unmöglichkeit derartiger Prognosegenauigkeiten in frühen Leistungsphasen ist bereits an bekannten Streuungen/Schwankungen der Angebotspreise des Marktes deutlich sichtbar.

De facto sind diese Werte aber nicht nur unrichtig, sondern bedeuten mit dem Zusatz, dass ausschließlich der Auftraggeber davon abweichende Werte festlegen darf, auch einen unzulässigen Eingriff in Vertrags-, Leistungs- oder Haftungsverhältnisse Dritter. Es widerspricht den rechtsstaatlichen Grundprinzipien, Festlegungen mit derartig rechtlichen Auswirkungen in – von verschiedensten wirtschaftlichen und anderen Interessen geleiteten – Normenausschüssen zu definieren.

Die Bundeskammer der ZT hat daher auch eine gemeinsame Stellungahme mit dem Fachverband der Ingenieurbüros an das österreichische Normeninstitut erarbeitet, in dem auf das Problem hingewiesen und eine Überarbeitung der Norm angeregt wird. Darüber hinaus sind Nominierungen von ZT in das zuständige Normenkomitee in Vorbereitung.

Mit Fachartikeln wie dem aktuellen zum Thema „Kostenplanung und die ÖNORM B 1801-1:2021“ möchten wir KollegInnen ein ganz konkretes Hilfsmittel zur Verfügung stellen, wenn sie von Rechtsstreitigkeiten aufgrund von Festlegungen in den jeweiligen Normen betroffen sind. Ein entsprechendes Fachgutachten kann nämlich die rechtliche Vermutung, dass eine Norm dem Stand der Technik entspricht, relativieren.

Darum sind es wichtige Anliegen des Ressorts Regelwerke der Bundeskammer der ZT, manchen (problematischen) Normen alternative Möglichkeiten in Bezug auf den Stand der Technik entgegenzuhalten und insgesamt die Problematik der Ausweitung von Normen in immer weitergehende Themengebiete laufend aufzuzeigen sowie überschießende Normenprojekte - auch über den österreichischen Normenbeirat zu beeinspruchen. 

Zusätzlich ermöglichen wir durch Nominierungen eine koordinierte Teilnahme von ZiviltechnikerInnen in relevanten Normengremien. Denn gerade die Unausgewogenheit der Interessen in Normenkomitees kann oft zu folgenschweren Fehlern führen, wie das konkrete Beispiel vor Augen führt.
Wir wissen natürlich, dass diese ehrenamtliche ExpertInnentätigkeit für ZT ungleich schwieriger unterzubringen ist als für größere Unternehmen und Organisationen mit weitreichenden personellen und finanziellen Ressourcen. Auch ein flächendeckendes Screening aller veröffentlichten Normenentwürfe übersteigt – nicht zuletzt auch durch die große Vielzahl an Normen in vielen verschiedenen Bereichen - selbstverständlich bei weitem den Rahmen an Unterstützung, den unsere ZT als ExpertInnen ehrenamtlich leisten können.

Daher nehmen wir Hinweise von KollegInnen an normung@arching.at immer gerne entgegen!


Dieser Liste können Sie entnehmen, in welchen Gremien die Bundeskammer derzeit vertreten ist.  Die Vorgangsweise bei Nominierungen und die Rolle der Nominierten ist in einer Checkliste definiert.

Einmal jährlich findet ein Netzwerktreffen / Informationsaustausch aller Nominierten der Bundeskammer der ZT statt.

Interessierte ZT, die in einem Normengremium mitarbeiten wollen, können sich jederzeit bei uns melden: normung@arching.at

Mit kollegialen Grüßen
DI Erich Kern
Vorsitzender Ressort Regelwerke