2. Teil: Attersee

V.l.n.r.: Heinz Plöderl, Susanne Seyfert, Michael Strobl. Copyright: BKZT. Foto: Martin Bruner

Seeschloss Kammer

Die Fortsetzung des Vernetzungstreffens fand eine Woche später, am 1. Juli 2022, in Seewalchen am Attersee statt. Die Moderatorin Ursula Hillbrand führte durch den Tag. Sie ist Mitbegründerin und Geschäftsführerin von Salonhosting und verfügt über jahrzehntelange Erfahrung mit partizipativen Stakeholderprozessen EU-weit. Einige kannten sie vom ersten Vernetzungstreffen in Innsbruck. Es eröffneten der Vizepräsident der Bundeskammer, Daniel Fügenschuh, sowie der Gastgeber vor Ort und ehemalige Vorsitzende der Sektion Architekt:innen der Länderkammer für Oberösterreich und Salzburg, Heinz Plöderl, mit fachlichen Inputs. Der nunmehr amtierende Vorsitzende der Sektion Architekt:innen der Länderkammer für Oberösterreich und Salzburg, Michael Strobl und dessen Stellvertreterin, Susanne Seyfert, schlossen sich der Eröffnung an.

Arbeit in Kleingruppen. Copyright: BKZT. Foto: Martin Bruner

Auch hier wurde wieder über die Bundesländergrenzen hinaus ein Blick in die Seenlandschaft Kärntens geworfen. Architekt Markus Klaura gab einen Überblick betreffend den Bauboom an Kärntens Seen und dass dieser gestoppt werden solle. Gepaart mit Daten und Fakten aus dem Süden Österreichs, stellte auch er für das Attersee-Publikum die Kärntner Seen-Konferenz vor.

Im Anschluss gab es einen weiteren, spannenden Vortrag: Architektin Carmen Schrötter-Lenzi, Vorsitzende der Sektion Architekt:innen im Kammerbereich Tirol und Vorarlberg stellte die Arbeit der Gestaltungsbeiräte in Vorarlberg vor. Diese haben dort seit Beginn der 1980er Jahre Tradition. Schrötter-Lenzi betonte, dass es für diese sogar rechtliche Verankerung im Vorarlberger Baugesetz und im Raumplanungsgesetz gäbe.

Am Beispiel Bodensee führte sie deutlich vor Augen, welch wichtige Arbeit Gestaltungsbeiräten zu Teil wird und stellte ebenso das Musterstatut der Länderkammer der Ziviltechniker:innen für Tirol und Vorarlberg vor.

Nach diesen fachlichen Inputs schickte Ursula Hillbrand die rund 40 Anwesenden in Kleingruppen, um sämtliche Inputs aller Teilnehmer:innen abbilden zu können.

 

Anna Egger. Copyright: BKZT. Foto: Martin Bruner

Die an den Tischen gesammelten Erkenntnisse wurden im Anschluss zusammengetragen und strukturiert (siehe Seiten 13 und 14). Eine Besonderheit des Treffens am Attersee war das Graphic Recording: Während der Wortmeldungen und Sammlung von Inhalten bringt die Illustratorin Anna Egger live ihre Illustrationen zu Papier. So kann nun ein graphisches Gesamtbild der Themen visualisiert werden.

Erkenntnisse

Struktur

  • Weg von reiner Projektbeurteilung
  • Verpflichtende Begutachtung
  • Raumordnung einbinden
  • Statut, Ablauf
  • Umfang, Kriterien
  • Rechtliche Verankerung des Architekturbeirats
  • Strukturplanungsrat statt Gestaltungsbeirat
  • Mehr Gestaltungsbeiräte, die politisch, wirtschaftlich und geographisch unabhängig sind
  • Interdisziplinär – Landschaftsarchitektur – Raumplanung – Verkehrsplanung - Architektur
  • „Fachbeirat“ – Nicht Architekturbeirat – Interdisziplinär

Regeln und Statuten

  • Leitlinien des Landes werden ignoriert
  • Kartierung / Aufstellung der Gremien
  • Darstellung der Entscheidungsabfolge
  • Leitbild festlegen
  • Vermittlung
  • Einheitliche Richtlinien + Regeln
  • Musterstatut des Gestaltungsbeirats (Aufgaben, Projekte, Einreichungen, Vergütung)
  • Unabhängig von wirtschaftlichen Interessen, keine lokalen „Seilschaften"

Wertschätzung & Baukultur

  • Effizienz steigern
  • Räumliches, baukulturelles Leitbild als Vorgabe
  • Gibt es noch eine Öffentlichkeit als ein „Wir“?

Kommunikation

  • Bauwerber – Politik
  • Interaktion GBR – Behörde – Politik – AG
  • Diskussionskultur
  • Unterschiedliche Gremien – Fachliche Abgrenzung läuft
  • Fliegende GBR Gemeinden
  • Angebot :zt – „Fliegende GBR“
  • Fliegende GBR für unterschiedliche Themenstellungen
  • Vernetzung Gremien (Altstadt, WB-Ausschuss) / Beamte / Politik

Öffentlichkeit & Transparenz

  • Image stärken
  • Öffentlichkeitsarbeit / Öffentliche Wahrnehmung
  • Information an die Bürger / Mehrwert darstellen (Konkrete Projekte)
  • Transparenz Projektbeteiligte / Öffentlichkeit
  • Transparente Kommunikation zwischen den Instanzen

Zeitpunkt & Zeitfaktor

  • GBR regelmäßig abhalten (2-3 Monate)
  • Zusammensetzung des GBR mit gewisser Kontinuität
  • Früh einbinden (Bund, Land, Kommune, Atmosphäre)
  • Öfter treffen, früher einsetzen, zB bei Vorentwurf, schneller reagieren
  • Instrumente im Vorfeld – Beirat kommt oft zu fertigen Projekten
  • Qualitätssicherung durch prozessbegleitende Einbindung der GBR bis zur Fertigstellung
  • Frühzeitige Einbeziehung des GBR, Verkehrsplanung bzw. begleitend bis zur Realisierung und Evaluierung
  • Begutachtung schon in der Raumplanung

Bewusstseinsbildung

  • Politik einbinden, Parteiakademien, Aus- und Weiterbildung
  • Ausbildung der Entscheidungsträger in den Gemeinden stärken
  • Zukunftsthema „Bauen im Bestand“ (Innenentwicklung)
  • Zt-interne Ausbildung
  • Zt-interne Evaluierung (good practice-Beispiele)
  • Bildungsauftrag (Politik, Öffentlichkeit, Kollegenschaft)

 

V.l.n.r.: Klaus Leitner, Michael Stur, Rudolf Hemetsberger, Ursula Hillbrand. Copyright: BKZT. Foto: Martin Bruner

Nach einem ergiebigen Vormittag und einem raschen Mittagssnack ging es weiter mit einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion am Schiff MS Stadt Vöcklabruck. Während die Teilnehmer:innen vom See aus die betreffenden Regionen am Ufer sehen konnten, führten Rudolf Hemetsberger, Bürgermeister Attersee, Michael Stur, Bürgermeister Weyregg und Architekt Klaus Leitner, Vorsitzender des Gestaltungsbeirates Region Attersee eine angeregte Diskussion zu der Frage: „Was können Gestaltungsbeiräte zu einer kontinuierlichen, angemessenen Entwicklung der Gemeinden am See beitragen?“.

V.l.n.r.: Nicole Eder, Georg Baumann. Copyright: BKZT. Foto: Martin Bruner

Einigkeit bestand darin, dass das frühzeitige Einbinden von Gestaltungsbeiräten essenziell für ein raumordnungsverträgliches Bauen am See sei. Die Bürgermeister wünschten sich insbesondere von den Ziviltechniker:innen stärker nach außen zu kommunizieren, was in der Kompetenz von Bürgermeister:innen als Baubehörde erste Instanz läge. Sie stehen unter dem Druck, dass – wenn technische und rechtliche Rahmenbedingungen eines eingereichten Bauprojekts erfüllt sind – eine Zustimmung erfolgen muss. Oftmals würde suggeriert, dass es eine willkürliche Entscheidung wäre, was alle anwesenden Diskutant:innen strikt verneinten.

Auch die zweite Runde von Diskutant:innen war sich, betreffend die Probleme der Baulandsicherung, einig. Einheimische, wie beispielweise junge Familien, könnten sich kaum Bauland in ihrem Heimatort leisten und würden daher wegziehen.

Georg Baumann, Bürgermeister Unterach, Nicole Eder, Bürgermeisterin Steinbach am Attersee, Gerald Egger, Bürgermeister Seewalchen am Attersee und Andreas Lotz, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Raumplanung, Landschaftsplanung und Geographie, Bundeskammer der ZT analysierten gemeinsam die Herausforderungen der Raumplanung rund um den Attersee.

Die Prämisse der Amtsträger:innen ist es, eine lebenswerte Gemeinde zu erhalten und keine Zweitwohnsitze-Oase zu schaffen. Der Dialog zur örtlichen Raumplanung und Projekt-Entwicklern sowie den Ziviltechniker:innen müsse verstärkt werden – schon alleine, um den klimatechnischen Herausforderungen der Zukunft gerecht werden zu können.

 

V.l.n.r.: Andreas Lotz, Nicole Eder, Gerald Egger, Georg Baumann, Ursula Hillbrand. Copyright: BKZT. Foto: Martin Bruner

Eine Hilfestellung in Form eines Ortsbild-Beirates wäre dabei außerordentlich sinnvoll, wurde öfters angemerkt. Bürgermeisterin Eder beispielweise wünschte sich, dass die Raumordnung nicht länger im parteipolitischen Fadenkreuz wäre, sondern auf eine rein fachliche Ebene gehoben würde. Lotz skizzierte dabei die schwierige Gratwanderung zwischen Stabilität und Flexibilität, die die die Politik hier vollziehen müsse. Die Herausforderungen von heute hätten aber auch bereits vor 30 bis 35 Jahren erkannt werden müssen und daher stelle sich die Frage, welche Probleme in den kommenden 30 bis 35 Jahren auf uns zukommen werden? Flächenwidmungspläne haben eine lange Tradition. Man wird sich in Zukunft ebenso überlegen müssen, in welchem Detaillierungsgrad Bebauungspläne Sinn machen. Zielvorgaben sind wichtig, aber es braucht auch Flexibilität, um auf neue Herausforderungen reagieren zu können. Neue Investitionsmodelle erzeugen enormen Druck.

In Tirol ist man nun daher schon so weit, dass die Gemeinden Investoren vorschreiben, ob sie überhaupt investieren dürfen. Die Instrumente dafür müssen aber eindeutig vom Bundesland kommen. Da müssen die Bürgermeister:innen vor Ort unterstützt werden. Georg Baumann berichtete über den Agenda-21-Prozess, der in Unterach gestartet wurde. Tourismus sei dabei ein erklärtes Ziel der Region und gerne gesehen. Jedoch besteht die Schwierigkeit darin, dass niemand ein Hotel in unmittelbarer Nähe haben will. Bürger:innenbeteiligung ist daher immer mit Maß und Ziel vorzunehmen, denn am Ende kann diese nicht endgültig Zielkonflikte auflösen.

Gerald Egger betonte ebenfalls, dass der Dialog zu den örtlichen Raumplaner:innen und der Bevölkerung verstärkt werden müsse. Flächenwidmungspläne entstehen nicht ad hoc, sondern bedürfen intensiver Arbeit und Austausch. Die klimabedingten Veränderungen, die auf uns alle zukommen, müssen heute berücksichtigt werden und daher ist jeder Ortsbildbeirat ein sinnvolles und wirksames Mittel.

Einig waren sich beide Gesprächsrunden, dass es Landesgesetze brauche, die auf Gemeindeebene vollzogen werden können. Nachdem das Schiff wieder angelegt hatte, fanden sich im strömenden Regen einige Teilnehmer:innen ein, um zur Besichtigung des Hauses Gamerith aufzubrechen.

 

 

HAUS GAMERITH © FOTO CHRISTOPH SCHNOOR, 2014

Nachdem das Schiff wieder angelegt hatte, fanden sich noch viele Teilnehmer:innen ein, um unter Führung der Architekten Franz Maul und Heinz Plöderl das unter Denkmalschutz stehende, einzigartige wie legendäre, „Haus am Attersee“ - das Landhaus Gamerith (Architekt Ernst Plischke in der Zwischenkriegszeit), sowie das für den Besitzer unterhalb liegende moderne Wohnhaus F. (Luger Maul Architekten) zu besichtigen.

 

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