BIM-Pilotprojekte - Meinungen und Erfahrungen

Pilotprojekte im Schulbau - BIG und Stadt Wien

Mit dem 1963 entwickelten ersten computergestützten Design (CAD) mit einer grafischen Benutzeroberfläche namens „Sketchpad“ wurde die Basis für alle folgenden Innovationen gelegt, die in verschiedenen Phasen die Planungsprozesse der Zivilingenieure und Zivilingenieurinnen nachhaltig veränderte. Bereits Mitte der 1970er Jahre wurde das Prinzip des Building Information Modeling von Charles M. Eastman von Georgia Institute of Technology in den USA erwähnt. Seit 2007 wurde BIM in die Gesetzgebung verschiedener europäischer Länder implementiert.

Bei erfolgreicher Implementierung verspricht die BIM-Methode eine fehlerreduzierte und effiziente Planung, eine optimierte Kommunikation und Kooperation aller Beteiligten und einen minimierten Datenverlust beim Austausch von Projektinformationen, Planungssicherheit, Kostenwahrheit und die in Zukunft immer wichtigere Nachhaltigkeit, die Gebäude-Ökobilanz. Jedoch erfüllen die Programme und Schnittstellen noch nicht die erwünschten BIM-Ziele. Wir stehen noch immer am Beginn einer Entwicklung, weit entfernt, die Modelle für das Facility Management oder über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes bis hin zum Abriss und der Entsorgung des Materials nutzbar machen zu können

Dafür müssten auch alle nach den Planern und Planerinnen kommenden Nutzer über entsprechend hohes Fachwissen verfügen. Schließlich soll das 3D-Modell zeitlich über die Planung hinaus weitergeführt und gelesen werden, z.B. von den ausführenden Firmen auf der Baustelle. Spätere Änderungen und Umbauten sollten eingetragen werden, vielleicht erst viele Jahre später. Das erfordert eine entsprechende Wartung des Modells über den Lebenszyklus des Gebäudes. In der Praxis ist man davon weit entfernt.

Vor allem die Bauherren müssen sich vorweg darüber klar sein, wozu sie das BIM-Modell brauchen, welche Attributierungen tatsächlich nötig sind und ob eine schlanke und leicht überschaubare Datenbank nicht sinnvoller sein kann als ein überbordender Datenfriedhof. Die Auftraggeber müssen die Planer präzise briefen.
Mit den Pilot-Schulbauprojekten wollen BIG und Stadt Wien entsprechende Erfahrungen sammeln und Standards entwickeln. Interne Strukturen müssen aufgebaut werden.
Planer bekommen einen BIM-Projektmanager zur Hilfestellung zur Seite gestellt, ebenso Prüfregeln und einen BIM-Abwicklungsplan.
Sowohl für die Baudokumentation in der Stadt Wien und der BIG als auch bei Behörden werden einstweilen noch klassische 2-D-Pläne gebraucht. Ein Problem sind auch die immer noch nicht funktionierenden Schnittstellen zwischen den verschiedenen Programmsystemen.

Alle Projektbeteiligten sind sich einig, dass der Mehraufwand im Moment noch sehr hoch ist. Dieser wird sowohl von der BIG als auch der Stadt Wien zusätzlich mittels BIM-Aufschlags honoriert. BIG und Stadt Wien haben sich dafür ausgesprochen, dass sie Planern keine Software vorschreiben und Wettbewerbe vorerst weiter ohne die Verpflichtung zu einer Einreichung in BIM ausgeschrieben werden sollen, sehr wohl jedoch zur späteren Abwicklung in BIM.

Die ungeklärten Fragen sind zahlreich und reichen von Haftungsfragen und Urheberrechten, zur Honorierung, der Ausbildung, zu Abhängigkeiten von vorgeschriebener Software bis hin zum Schutz von kleineren Unternehmen, die nicht vom Markt gedrängt werden sollen.
Architekturschaffende müssen ihren Planungsprozess neu denken und ihren Workflow neu organisieren. Beim Aufsetzen des BIM-Modells muss vorweg erheblich mehr geklärt sein.

Wir haben uns das jeweils erste Schulbauprojekt der BIG und der Stadt Wien, die in BIM geplant werden angesehen und mit Projektbeteiligten über ihre Erfahrungen gesprochen.  Zusätzlich berichtet Architekt Christoph Pichler, Pichler & Traupmann Architekten ZT GmbH, der „das RAIQA“ in Innsbruck in BIM plant, von seinen Erfahrungen.


Ganztagsvolksschule für 425 Schüler in der Dreyhausenstraße, 1140 Wien
Planer: kub a / Karl und Bremhorst Architekten


Aller Anfang ist schwer

Das Schulprojekt Dreyhausenstraße wurde als erstes Schulprojekt der Stadt Wien als open-BIM-Pilotprojekt geplant. Nach dem noch konventionell ausgeschriebenen Wettbewerb betraten beide Seiten, Auftraggeber und Architekten Neuland. Es gab durchaus Anfangsschwierigkeiten und lange Verhandlungen wegen der Finanzierung. Ziel der Stadt ist es, ein Musterprojekt zu entwickeln und Erfahrungen für die Zukunft zu sammeln. Man will und eine übersichtliche Datenstruktur für das Facility-Management schaffen. Im nächsten Schritt sollen auch ausführende Unternehmen BIM-fähig sein, die im noch die Arbeit in closed-BIM gewöhnt sind.
Der Mehraufwand für die Architekten vor allem im Vorentwurf ist groß. Ein weiteres Problem in dieser Lernphase ist, dass auch die Auftraggeber noch nicht BIM-fähig sind. Auch für Behörden und für die Baustelle müssen 2D-Pläne ausgefiltert werden. Der kreative Entwurfsprozess ändert sich. Beim Aufsetzen des BIM-Modells sollte wesentlich mehr geklärt sein, weshalb man das Modell im Vorentwurf sehr schlank halten sollte. Überraschend war für die Architekten, dass es vor allem mit der Statik und Bauphysik Probleme bei den Schnittstellen gibt. Insgesamt ist noch viel Arbeit seitens der Software-Entwickler nötig. Und „nicht diese sollen uns, sondern wir müssen diese treiben, das muss uns gelingen“.


Ing. Peter Kovacs
MA 34 - Bau- und Gebäudemanagement
Fachbereich Objektmanagement (OM)


Grenzgang zwischen Nutzen und Aufwand

Bei den ersten drei BIM-Projekten der Stadt Wien zeigt sich, dass der Aufwand größer als gedacht ist. Vor allem die Schnittstellen sind eine Herausforderung. Es stellt sich die Frage, wo die Grenze zwischen Nutzen und Aufwand liegt und man nicht über das Ziel hinausschießt. Einen Datenfriedhof gilt es zu vermeiden. Nur ein Teil der Daten wird für den späteren Betrieb und die Wartung benötigt, der Rest für die wichtige Dokumentation, damit man bei einem Umbau auf diese zurückgreifen kann. Eine klare Definition des Mehrwerts und der Zielsetzungen seitens der Auftraggeber ist nötig: Was brauche ich an Daten und Informationen, damit die durchgehende Prozesskette von Planung, Bauen bis hin zum Betrieb aufgestellt werden kann. Wie viele Attribute braucht man wirklich, beispielsweise für ein Türblatt? Das bedarf einer klaren Auftraggeber-Informationsanforderung. Denn gesammelte Daten müssen auch kontrolliert werden. Klar ist man sich in der Stadt Wien, dass man keine spezielle Software vorschreiben wird, generell in open-BIM arbeiten will mit entsprechenden IFC-Schnittstellen zum Datenaustausch.
Die Definition der Leistungsphasen wird sich verändern und einige nach vorne verschoben. In den LM.VM hat Prof. Lechner entsprechende Ergänzungsbausteine definiert.  
Es wird wohl noch einige Jahre eine Parallelführung der Systeme nötig sein. Die Stadt Wien ist mit mehreren Städten in Europa in Kontakt, um Erfahrungen mit BIM auszutauschen. Auch im Projekt BRISE (https://digitales.wien.gv.at/projekt/brisevienna/ ) werden Digitalisierung und künftige digitale Bauverfahren der Stadt in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und der Ziviltechnikerkammer vorangetrieben.


Sanierung und Erweiterung zur AHS Ettenreichgasse in Wien Favoriten
Planer: Arch. DI Christine Horner, SOLID architecture ZT GmbH


Nicht alles was technisch machbar ist, ist auch sinnvoll

Christine Horner von Solid Architecture ist mit ihrem Team die Planerin des BIM Pilotprojektes der BIG, bei dem BIM als Planungsmethode erstmals verwendet wird. Das konkrete Projekt ist eine Sanierung und Erweiterung zur AHS Ettenreichgasse in Wien Favoriten. 2018 gewann Solid Architecture den internationalen, offenen Wettbewerb.

Der EU-weit ausgeschriebene Wettbewerb lief konventionell und da Christine Horner langjährige Erfahrung mit BIM hat, hat man sich geneinsam entschlossen, das Projekt als open-BIM als Pilotprojekt der BIG weiterzuführen. Mit der integralen Planung werden über Schnittstellen Planungspartner im Koordinierungsmodell zusammengeführt. Zusätzlich wird der Um- und Zubau mit Hilfe eines Laserscanmodells, den Punktwolken, begleitet, Mit den Scans werden die Pläne überlagert und abgeglichen.
Die Vorteile sieht Christine Horner in der wesentlich einfacheren Lesbarkeit des 3D-Modells für alle Planungspartner. Sie sieht einen Gewinn von 50% an Mehrwert durch Planungssicherheit, Transparenz und eine höherwertigere, dichtere Planung. 3D unterstützt als 2D etwa die Wandabwicklung, erlaubt visuelle Kontrolle und Prüfmöglichkeiten. Hausintern liegt der Mehrwert bei 30%. Die Datenbank als eigenes Produkt z.B. verknüpft Textelemente in Plänen. Ein weiterer Vorteil liegt in der Plankohärenz, die Fehler bei Änderungen vermeidet. Konfliktpunkte liegen in der Datenbankauswertung und in den Schnittstellen, wobei der Austausch mit Fachplanern über die IFC-Schnittstellen schon gut funktioniert. Zusätzliche Tools, wie Kommunikation über 3D-Emails, Prüfungsprogramme, wie Solibri, erleichtern das effiziente und strukturierte Arbeiten. In Sachen der Honorierung von Mehrleistungen besteht noch Handlungsbedarf. Mit Auftraggebern muss vorweg präzise geklärt werden, wie viele Teilmodelle und Projektphasen gefordert sind. Denn es ist ein Unterschied, ob man ein Modell für die Planerstellung aufbereitet oder als Datenbank. Es braucht auch ein wissendes Gegenüber: Der Auftraggeber muss über das Fachwissen verfügen, um das Modell über den Lebenszyklus nutzen zu können. Denn nur dann kann ein BIM-Modell zu einem „Datengold“ werden. Da ist noch viel zu tun. „Denn nicht alles was technisch machbar ist, ist auch sinnvoll“.


Arch. DI Wolfgang Malzer
Architektur- und Bauvertragswesen BIG
BIG (Bundesimmobiliengesellschaft)


Die BIG im Prozess des „Learning by doing”

Anlass für das Pilotprojekt war es, Grundlagen für BIM-Projekte in Österreich zu erarbeiten. Das Schulprojekt Ettenreichgasse mit dem Architekturteam von Solid Architecture ist dafür als typische BIG-Aufgabe, nämlich Sanierung und Erweiterung, bestens geeignet. Mittlerweile gibt es weitere Pilotprojekte, wie die Justizanstalt in Klagenfurt und den Wettbewerb für das Gymnasium in der Klostergasse in Wien, wo BIM schon im Wettbewerb verlangt wurde. Die BIG erwartet sich durch die integrale Planung u.a. Qualität und Konsistenz der Inhalte, die Langlebigkeit der Daten und die Möglichkeit, diese in die internen Systeme überführen zu können. Es ist ein Prozess des „Learning by doing“. Die Vor- und Nachteile kann man noch nicht nennen. Die Schnittstellen haben trotz IFC Grenzen. Den Planern will kein Software-System vorschreiben. Bei den ausführenden Firmen bleibt die BIG bei Einzelvergaben, damit KMUs nicht ausgegrenzt werden. Für die Mehrleistungen in den Pilotphasen wird den Architekten ein BIM-Aufschlag bezahlt. Planer bekommen einen Projektmanager für BIM als Hilfestelle zur Seite gestellt, ebenso Prüfregeln und einen BIM-Abwicklungsplan. Da die BIG ja nur Bauherr und nicht Betreiber ist, werden Daten für das Facility Management schon jetzt in die Dokumentation eingespeist, wo die Pläne in 2D abgelegt werden. Es ist vieles im Fluss und in Entwicklung.


BIM-Projekt „das RAIQA“

Quartier Innsbruck Mitte. Das Viertel vom Südtiroler Platz bis zum Bozner Platz ist ein neuralgisches – und das RAIQA soll als pulsierendes „Raiffeisen-Quartier“ hier am Eingang zur Stadt neu entstehen.

Erfahrungen eines „Early Adopters“

Christoph Pichler verwendet BIM seit 2013. Er ist begeistert und sieht BIM als mächtiges Instrument, um komplexe Aufgaben bewältigen zu können. Er hat die kontinuierliche Entwicklung vom Zeichentisch über CAD zu 3D mitgemacht. Die anfänglichen Investitionen, sowohl monetär als auch zeitlich, sind enorm. Änderungen sind schwierig und gleichzeitig einfacher in BIM zu machen. Die Spanne zwischen dem kreativen und technischen Raum wird zunehmend größer und die komplizierten Kommunikationsprozesse erfordern ein digitales Spezialistentum. Der Entwurfsprozess verändert sich. Seitens der Auftraggeber wird BIM noch kaum verlangt. In jedem Fall brauchen Planer ein kompetentes Gegenüber, erfahrene Projektpartner und Bauherren. Der gewünschte Durchlauf, dass ein 3D-Modell auf die Baustelle gehen kann, den gibt es nicht und dass die Daten über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks und vom Facility Management verwendet werden, ist derzeit noch Zukunftsmusik. Die Anforderungen an das BIM-Modell sollten mit dem Auftraggeber klar definiert werden, ebenso die Programme, in denen diese ausgeführt werden sollen, da der Mehraufwand sonst ins Unendliche gehen kann. Das Befüllen der Felder mit Spezifikationen für Produkte könnte durchaus ein neues Geschäftsfeld für Dienstleister sein. Im Büro wird Revit bereits in der Wettbewerbsabteilung eingesetzt. Beim Austausch der 3D-Modelle gibt es durchaus Fragen, die noch einer juristischen Klärung bedürfen. Die Aufgabe des Architekten sieht Pichler mit dem Einreichplan als abgeschlossen. Die 3D-Modelle werden nur zum Anschauen weitergegeben, um das geistige Eigentum zu schützen.

Texte: Brigitte Groihofer