Round Table: Die neue Vergabeplattform 2022

Mehr als eine Funktionsperiode hat es gedauert, den Relaunch der Vergabeplattform www.architekturwettbewerb.at umzusetzen. Jedoch blieb es nicht bei diesem Vorhaben alleine. Das Erfolgsmodell www.architekturwettebwerb.at hat nun einen Zwilling für Ingenieursdienstleistungen namens www.bestevergabe.at erhalten. Beide Websites teilen sich die selbe Datenbank und das Backend. Prozesse wurden optimiert und konnte durch eine Vergabe im Zuge eines zweistufigen Wettbewerbs ein Auftragnehmer gefunden werden, der die beiden Oberflächen grafisch erneuert hat.

Das Projekt ist eine Erfolgsgeschichte und vorbildlich für sektionsübergreifende Zusammenarbeit innerhalb der Kammer. Wir baten die vier Hauptverantwortlichen zum Gespräch, um über die Herausforderungen und die Ziele des Projekts zu reflektieren:

v.l.n.r.: DI Stephan Bstieler, Arch. DI Rainer Wührer, Dr. Brigitte Groihofer, Arch. DI Daniel Fügenschuh, DI Gustav Spener


Teilnehmer am Roundtable:

  • Arch. DI Daniel Fügenschuh,
    Vizepräsident der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen, Vorsitzender der Bundessektion ArchitektInnen
  • DI Gustav Spener, Ziviltechniker für Wirtschaftsingenieurwesen im Bauwesen;
    Präsident der Kammer der ZiviltechnikerInnen für Steiermark und Kärnten
  • DI Stephan Bstieler, Ziviltechniker für Bauwesen, Wettbewerbs- und Vergabekonsulent der Kammer Arch+Ing Tirol und Vorarlberg
  • Arch. DI Rainer Wührer, Mitglied der Steuerungsgruppe des Relaunches
  • Moderation: Mag. phil. Dr. techn. Brigitte Groihofer, MBA

Fotograf: Johannes Zinner

 

Die neuen Vergabeplattformen www.architekturwettbewerb.at und www.bestevergabe.at sind online.

 

Brigitte Groihofer:
Was waren die Beweggründe, die Website www.architekturwettbewerb.at zu relaunchen und zu erweitern und jene der IngenieurkonsulentInnen unter dem Namen www.bestevergabe.at parallel dazu neu zu schaffen?
    
Daniel Fügenschuh:
Die Plattform architekturwettbewerbe.at gibt es schon mehr als zehn Jahre. Ein großer Relaunch war daher unvermeidbar, da die Seite eine wesentliche Säule der Kammerkommunikation ist.

Rainer Wührer:
Die alte Website war im Grunde genommen eine Datenbank, wo man nur Ausschreibungen und Ergebnisse finden konnte. Nun hat man beispielsweise auch ein Statistiktool, wo man auf kurzem Weg sieht, wie sich Wettbewerbswesen und beste Vergaben entwickeln, versehen mit statistischen Kennwerten zu Projekten. All das wird in anschaulichen Darstellungen präsentiert.

Daniel Fügenschuh:
Die Weichenstellung für den Neuaufstellungsprozess erfolgte schon in der vergangenen Funktionsperiode. Der Start erfolgte mit einer Evaluierung in allen Länderkammern und der Finanzierung eines sehr breit aufgestellten Meinungsbildungs-Workshops. Man hat auf das Mittel des Wettbewerbes zurückgegriffen und einen 2-stufigen Gestaltungswettbewerb, der das UX/UI Design, die Grafik bzw. das Handling, betroffen hat. Und im Sinne einer besten Vergabe wurde eine Jury mit Personen aus europäischen Universitäten zusammengestellt. In der 2. Wettbewerbsstufe wurde präzisiert. Erst danach wurde die Programmierung gemäß dem Bundesvergaberecht ausgeschrieben. Der Prozess der Umsetzung hat dann unter Leitung einer Steuerungsgruppe unter Rainer Wührer mehr als ein Jahr gedauert. Das Ergebnis spricht für sich und ist ein Vorzeigeprojekt der Kammerzusammenarbeit.

Gustav Spener:
Bei den IngenieurkonsulentInnen gab es nichts Vergleichbares. Eine Vergabeplattform wurde in der Sektion durchaus kritisch diskutiert, da der Zugang zu Vergaben sich von jenen der ArchitektInnen unterscheidet. Letzendlich wollen aber Sektionen, dass das beste Projekt und nicht das billigste gewinnt und eine Plattform, die auf das Bestbieterprinzip den Fokus lenkt, wird dabei helfen.

Daniel Fügenschuh:
Für die Sektion ArchitektInnen war es eine große Entscheidung, die Plattform auch für die IngenieurkonsulentInnen zu öffnen, da wir ja über zehn Jahre die Hoheit darüber hatten. Es war ein offenes Angebot und wir sahen den Sinn der Zusammenarbeit darin, dass wir als gesamte Berufsgruppe der Ziviltechniker und Ziviltechnikerinnen die beste, also eine qualitätsorientierte Vergabe anstreben.

 

"Wir meinen, dass man Wettbewerbe und faire Bedingungen unter anderem unterstützen muss, damit auch junge Architekturschaffende und noch nicht vernetzte Büros zum Zug kommen können", so Daniel Fügenschuh.

Stephan Bstieler:
Die Ausschreibung und Vergabe von geistigen Dienstleistungen mithilfe von Verhandlungsverfahren oder Direktvergaben stellen die wirtschaftliche Grundlage für IngenieurkonsulentInnen dar, eher die Ausnahme bilden kreative Ingenieurwettbewerbe.

Gustav Spener:
Wir haben uns daher für die Plattform entschieden, weil wir gesehen haben, dass insbesondere größere Vergaben oft schlechte Vergabeverfahren sind und es große Unzufriedenheit in der KollegInnenschaft gab. Und durch die Plattform www.bestevergabe.at hoffen wir bessere Festlegungen in Vergabeunterlagen zu erlangen, indem wir ähnlich jener der www.architekturwettbewerbe.at Kooperationen anstreben und durch die bekannten Bewertungen – Daumen hoch oder runter – Auftraggeber zu fairen Vergaben motivieren. Trotzdem sind auch Direktvergaben da und dort ein Thema und auch gewünscht.

Ein wichtiges Kriterium bei diesen ist Transparenz, die auch Verschwörungstheorien und Auftraggeber-Bashing entgegenwirken soll. Eine parallele, eigene Seite der Vergabeplattform gibt es deshalb, weil wir im Zivilingenieurwesen neben dem Wettbewerb noch ein breite Palette an Vergabeformen, wie etwa das Verhandlungsverfahren, auch Qualitätsverfahren, haben. Dabei war uns die Abbildung der Bestbieterkriterien besonders wichtig.

Daniel Fügenschuh:
Unsere Haltung war immer, dass Direktvergaben ohnehin passieren und man diese als Berufsvertretung nicht bewerben muss. Wir meinen, dass man Wettbewerbe und faire Bedingungen unter anderem unterstützen muss, damit auch junge Architekturschaffende und noch nicht vernetzte Büros zum Zug kommen können.

"Es ist wichtig, nicht immer die Gegensätze zwischen einer besten Vergabe und einem Architekturwettbewerb zu betonen. In Wahrheit ist ein Wettbewerb ein herausragendes Beispiel für eine beste Vergabe. ", betont Rainer Wührer

 

Stephan Bstieler:
In letzter Zeit hat sich bei den Direktvergaben verändert, dass die Einholung eines Angebotes von einem Bekannten oder einem Bieter so nicht mehr stattfindet, sondern die Haushaltsrichtlinien Vorschreibungen machen, dass mindestens drei Angebote einzuholen sind. Damit war dann jedoch die Tür für Billigstbieterverfahren geöffnet. Und damit wurde nicht mehr der beste Bieter ermittelt, sondern der Billigstbieter.

Gustav Spener:
Unser Ziel ist es, hier wieder einer qualitativen Bewertung der Angebote, auch in der relativ freien Direktvergabe, zum Durchbruch zu verhelfen. Ein Problem für Ausschreiber und öffentliche Auftraggeber ist es, aufgrund der fachlichen breiten Streuung der Ingenieurleistungen, entsprechende Auswahl- und Zuschlagskriterien zu formulieren um auf die Fachrichtung bezogene Qualitätsbeurteilungen zu bekommen. Da sehe mit der neuen Plattform eine große Chance, dass man mit Best-Practice-Beispielen Auftraggebern Orientierung bietet.

Stephan Bstieler:
Dem Ausschreiber und Auftraggeber muss bewusst gemacht werden, welchen Risiken er sich bei der Vergabe von Planungsleistungen an Billigstbieter aussetzt. Mangelhaft geplante oder vorbereitete Bauprojekte führen üblicherweise in der Ausführungsphase zu Mehrkostenforderungen der ausführenden Firmen, welche die angebliche Einsparung durch Vergabe der Planung an den Billigstbieter mehrfach überschreiten.

Rainer Wührer:
Ein wesentlicher Kern dieser Plattformen und des Relaunches war es, Transparenz in allen Bereichen, von den Ausschreibungen, den Entscheidungen, bis hin zu den Ergebnislisten, Realisierungen, den Preisen und Awards, herzustellen, von der alle profitieren, die Auftraggeber, TeilnehmerInnen, VerfahrensbetreuerInnen und Wettbewerbsausschüsse, die jetzt deutlich mehr und einfacher in der Lage sind dieses Tool zu nutzen.

Daniel Fügenschuh:
Ursprünglich war es ja ein reines Expertentool, hauptsächlich zur Information der eigenen Mitglieder gedacht. Unsere Intention ist, das Tool im Backend für Mitarbeiter und ehrenamtlich Engagierte leichter anwendbar zu machen. Die tauschen sich bundesländerübergreifend in dichten, zweiwöchigen Abständen aus. Wesentlich ist nun die vermehrte Einbeziehung der Öffentlichkeit. Wir haben zunehmend mit Bürgerbeteiligungen, mit Inklusion, zu tun, wo es darum geht die Bevölkerung in Entscheidungsprozesse bei denen es um die Qualität der gebauten Umwelt und der öffentlichen Räume geht, einzubinden. Dafür sind Wettbewerbe ideal, weil man mit ihnen viele Menschen ansprechen kann und einen hohen Grad an Erreichbarkeit schafft, Und das wird in Zukunft mit den neuen online-Portalen noch besser gelingen.

Gustav Spener:
Das gilt auch für Vergabeverfahren. Transparenz und Sichtbarmachen, Öffentlichkeitsarbeit nach innen und außen. Information an die Kollegenschaft, ob ein Verfahren in Ordnung ist und man sich keine Sorgen machen muss und nach außen, adressiert an die Auftraggeber, dass ein faires Vergabeverfahren die besten Projektergebnisse bringt. Das muss beworben und kommuniziert werden.

Rainer Wührer:
Es ist wichtig, nicht immer die Gegensätze zwischen einer besten Vergabe und einem Architekturwettbewerb zu betonen. In Wahrheit ist ein Wettbewerb ein herausragendes Beispiel für eine beste Vergabe.

"Die Dualität, dass es zwei Portale, eben die www.architekturwettbewerb.at und www.bestevergabe.at gibt liegt auch daran, dass das Wettbewerbsportal für kreative Planungsaufgaben prädestiniert ist. Kreative Tragwerksplaner sind hingegen nicht so gefragt", scherzt Stephan Bstieler

 

Brigitte Groihofer:
Arbeiten ArchitektInnen und IngenieurInnen nicht ohnehin schon meist im allerersten Entwurfsstadium zusammen?

Daniel Fügenschuh:
Das ist unsere gelebte Praxis. Jedes Projekt funktioniert nur so, mit Zusammenarbeit. Vielleicht gibt es Ingenieurprojekte, wo es keine ArchitektInnen braucht, doch selbst bei Infrastrukturprojekten gibt es meist sichtbare Teile, die zu gestalten sind, die baukulturell interessant sind.

Brigitte Groihofer:
Welche Serviceleistungen sind in den Plattformen inkludiert?

Rainer Wührer:
Unter anderem geben wir den Wettbewerbsausschüssen ein Tool in die Hand, die ihre Arbeit und die Kooperationen konstruktiver macht. Verfahrenskooperation heißt nichts anderes, als dass die Wettbewerbsausschüsse der Länderkammern die Wettbewerbe auf Fairness prüfen und ob sie für Auslober ein gutes Ergebnis erwarten lassen. Trifft dies zu, kann schlussendlich eine Kooperation erklärt werden. Auslobungstexte werden geprüft, kommentiert, verhandelt und JurorInnen entsendet. Um diese Prozesse zu unterstützen, nachvollziehbar, transparent und begründbar zu machen, gibt es nicht öffentliche Bereiche im Backend, die die Ausschüsse zur internen Abstimmung benützen können.

Daniel Fügenschuh:
Genau, dieser Prozess beginnt weit vor der Veröffentlichung und kann lange dauern. Ein Auftraggeber tritt an uns heran oder die Kammer bietet ihm Unterstützung an. Danach kann ein vorgegebenes Procedere abgearbeitet werden das wir im Wettbewerbsstandard Architektur, formuliert haben. Alle Elemente, die für das gute Funktionieren eines Wettbewerbs wichtig sind, brauchen nur mehr befüllt werden, wie u.a. mit Terminen, Protokollen, Ausschreibungsunterlagen.
Wettbewerbsergebnisse werden in Zukunft so erfasst, dass man mit ihnen Präsentationen für Ausstellungen oder Screens erstellen kann oder diese zu Best-Practice-Dokumenten zusammenstellen kann.
Außerdem gibt es eine verbesserte Schnittstelle zu Nextroom und es gibt in Zukunft einen Preis für Realisierungen, wo man die Unterschiede des Projektes vom Zeitpunkt des Gewinnens bis zur Realisierung erfassen und vergleichen kann. Wichtig sind auch Schnittstellen zu TED und ANKÖ und zu Firmen, die bei Vergaben und Wettbewerben eine Rolle spielen. Daten können direkt übernommen und ohne Arbeitsaufwand freigeschalten werden.  

Gustav Spener:
Die neuen Plattformen sind komplette Informationstools, was die Themen Vergabe betrifft. Die Schnittstellen bieten der KollegInnenschaft auf Knopfdruck einen Überblick zu Verfahren zumindest im Oberschwellenbereich und damit eine Entscheidungsgrundlage zum Mitmachen.

Ganz wichtig für „beste Vergaben“ sind auch wissenschaftliche Publikationen, wie beispielsweise die Leistungs- und Vergütungsmodelle 2014 von Prof. Lechner. Dieser hat eine Überarbeitung der LM.VM2014 noch für heuer angekündigt. Enorme Relevanz für den Berufsstand der ZT, aber vor allem für Auftraggeber, haben die – von Hans Lechner und Christian Fink, im Auftrag der Kammer – gestalteten Vergabemodelle. Diese wurden mit klaren Bestbieterkriterien entwickelt, in denen die Gewichtung der Punktevergabe zwischen dem Preis (30%) zugunsten der Qualität (70%) deutlich verschoben wurde. Und es gibt das Preiskorridorverfahren mit einer unteren Preisschranke. Wer also den Schwerpunkt auf Qualität legen möchte, kann sich dieser – kostenlos zur Verfügung gestellten – Vergabemodelle bedienen.

"Unser Ziel war immer, dass wir als ZiviltechnikerInnen die Hoheit bei Vergabeverfahren haben und dieses Feld nicht den JuristInnen überlassen", so Gustav Spener

 

Brigitte Groihofer:
Gibt es auch so etwas wie eine Kummernummer, eine Hotline für Fragen?

Gustav Spener:
Entsprechende Verweise gibt es auf den Websites. Alle am Vergabeprozess beteiligten können sich an die Kammern wenden.
Unser Ziel war immer, dass wir als ZiviltechnikerInnen die Hoheit bei Vergabeverfahren haben und dieses Feld nicht den JuristInnen überlassen. Das war auch mit ein Grund für die Entstehung der Vergabemodelle. Es können wohl  juristische BeraterInnen hinzugezogen werden, doch das fachliche Know-How für eine faire Vergabe liegt eindeutig bei uns. Und eine Kommune, eine Bürgermeisterin, soll sich primär an uns wenden und nicht an einen Rechtsanwalt.

Brigitte Groihofer:
Wo und wie können sich diese informieren? Gibt es Checklisten für Auftraggeber?

Gustav Spener:
Für Checklisten ist das Thema viel zu komplex. Jede Länderkammer bietet in ihrem regionalen Bereich fundierte Erstauskunft und Hilfestellungen.

Daniel Fügenschuh:
Grundsätzlich hat das persönliche Gespräch den höchsten Wert. Daher haben wir begonnen mit KonsulentInnen zu arbeiten. Grundsätzlich kann man sich zu allen Themen via Auslobungen und Best-Practice-Beispielen informieren und die dahinterliegenden Vertragswerke ansehen, von diesen lernen und mit den dort beteiligten Personen in Kontakt treten. Es ist wichtig, dass wir als TechnikerInnen die besseren und logischeren Antworten haben als es die rechtliche Seite alleine hat.


Stephan Bstieler:
Spricht und berät man Auftraggeber, stellt man fest, dass ganz wenige in der Lage sind, eine Ausschreibung für Ingenieurleistungen gesetzeskonform auszuformulieren. Damit sind Kommunen oftmals überfordert. Sie wenden sich dann an einen Verfahrensbetreuer bzw. an die Ziviltechnikerkammer, wo wir gratis Erstgespräche mit von der Kammer nominierten ExpertInnen des jeweiligen Fachgebiets bieten. Wenn es z.B. um eine Abwasser-Reinigungsanlage in Vorarlberg geht, wird ein Kollege oder eine Kollegin aus dem Fachbereich Wasserwirtschaft der oder die Verfahrensbetreuung anbietet. Damit schränkt man den Markt nicht ein und hat Gewissheit, dass die Auftraggeber, Gemeinden oder Kommunen ein adäquates Know-how bekommen. Die Dualität, dass es zwei Portale, eben die www.architekturwettbewerbe.at und www.bestevergabe.at gibt liegt auch daran, dass das Wettbewerbsportal für kreative Planungsaufgaben prädestiniert ist. Kreative Tragwerksplaner sind hingegen nicht so gefragt.

Alle lachen.

Daniel Fügenschuh:
Einspruch! Wir wünschen uns kreative Tragwerksplaner. Ich sehe Unterschiede in der Definition von Kreativität. Kreativ sein, in dem Sinn, dass man ein kreatives System entwickeln kann in der Kooperation.

Brigitte Groihofer:
Gilt nicht für beide Sektionen, dass es um das Lösen von Problemstellungen geht?

Stephan Bstieler:
Wettbewerb findet ja auch in den Hearings statt, wo es darum geht, dass man qualitative Skills der Bieter abfragt, wer den besseren Zugang zum Projekt hat oder die besseren Referenzen und dann entsprechend mehr Punkte erhält.

Rainer Wührer:
Ich glaube, dass wir Architekten und Architektinnen das große Glück haben, dass unsere Leistung zunächst eine kreative ist, zumindest zu Beginn und daher kann man sie auch darstellen und über Kreativität oder über Gestaltungsfragen, die visuell präsentierbar sind, entscheiden. Ein Hearing der besten Vergabe ist der Allgemeinheit ungleich schwieriger zu vermitteln.

Brigitte Groihofer:
Gibt es Projekte, die auf beiden Plattformen zu finden sind?

Daniel Fügenschuh:
Ja, zum Beispiel Brückenkonstruktionen. Das ist der Klassiker.
Es gibt auch bei Architekturleistungen Vergabeformen, bei denen der Wettbewerb nicht unbedingt sinnvoll ist. Es gibt ein großes Volumen an Bauaufgaben, zum Beispiel Renovierungen, Umbauten, Nutzungsänderungen, bei denen es nicht um Erweiterungen oder Zubauten geht, die durchaus baukulturell wesentliche Tätigkeiten im Bereich der Architektur sind und für die die „Beste-Vergabe-Plattform“ gewählt wird.

Gustav Spener:
Kreativität sehe ich im Sinne von Innovation. Das Finden einer guten Lösung, um die Kreativität der Architektur erst zu ermöglichen. Das ist eine absolute Eigenschaft, die wir erfüllen müssen und die ist auch wettbewerbsfähig und sie wird im Übrigen auch im Wettbewerb abgefragt. So werden etwa TragwerksplanerInnen im Wettbewerb immer abgefragt und sind dabei. Und selbstverständlich umfassen daher die Vergabemodelle den Ingenieurwettbewerb.

Rainer Wührer:
Von außen gesehen, sind es zwei Portale, zwei Seiten, zwei Welten. Von innen gesehen ist es ein System, ein gemeinsames Backend. Ein Projekt kann also parallel auf beiden Seiten sichtbar gemacht werden. Dazu muss man nur das Häkchen für die Veröffentlichung für beide Seiten setzen. Man braucht nichts doppelt einzugeben, zu verlinken oder mittels copy und paste zu duplizieren. Das war eine grundlegende Anforderung des Projektteams an das neue System.

Daniel Fügenschuh:
Zusätzlich zur Programmierung der Plattformen haben wir es tatsächlich geschafft, den WSA, also den Wettbewerbsstandard Architektur aus 2010, in einer österreichweit aufgestellten ExpertInnengruppe zu überarbeiten. Durch die Vergaberechtsnovelle 2018 war eien Überarbeitung dringend fällig. Abgesehen davon sind alle darin vorkommenden Dokumente bis hin zu den Glossaren in Zusammenarbeit mit unserem Konsulenten Dr. Nikolaus Hellmayr überarbeitet worden. Ebenso alle Musterauslobungen.

Brigitte Groihofer:
Welche Aktivitäten sind in Zukunft noch geplant?

Daniel Fügenschuh:
Was wenige wissen: Wir nehmen europaweit eine Vorreiterrolle ein und sehen, dass die Plattform www.architekturwettbewerb.at auch im angrenzenden Ausland geschätzt und genützt wird. Wir haben sehr frühzeitig im Relaunch-Projekt Kontakt mit der Bayerischen Architektenkammer aufgenommen, die mit uns in einem Interreg-Projekt in der Sache „Förderung des Wettbewerbswesens“ grenzübergreifend als Partner zusammenarbeitet.

Sie werden die Website übernehmen und dieser erste Schritt macht uns besonder stolz. Wir haben nun mit allen Anrainerstaaten Kontakt aufgenommen und sind in Vorbereitung eines von der EU geförderten Projekts im Rahmen von „Creative Europe“ das wir gemeinsam einreichen wollen. Es geht dabei um eine Projektsumme von knapp 1,4 Millionen Euro von denen 70 Prozent gefördert würden.

Zukünftiges Ziel ist, dass man eine zentrale Website in ganz Europa, wo es ja sowieso einen gemeinsamen Wirtschafts- und Kulturraum gibt, anbietet. Damit schafft man für unsere Mitglieder Exportmöglichkeiten und liefert Entwicklungsunterstützung in der Etablierung der wichtigen transparenten Vergabeverfahren.

Gustav Spener:
Zwar haben wir auf IngenieurInnen-Seite kaum Wettbewerbe, dennoch sind wir nicht automatisch mit allen anderen Vergabeformen zufrieden: Oftmals erlauben diese überbordende, im Inland nicht zu erbringenden Referenzanforderungen, die nur in Bietergemeinschaften und in Zusammenarbeit mit ausländischen Büros zu erfüllen sind. Ein kritischer Punkt sind Billigstbieterverfahren mit dem Preis als Hauptkriterium. Auf der neuen Plattform wollen wir Vergaben aufzeigen, sie diskutieren und kommentieren, um die KollegInnenschaft zu sensibilisieren.

Brigitte Groihofer:
Danke für das Gespräch und einen guten Start mit den neuen Portalen!