Fortbildungsverpflichtung für Ziviltechniker:innen

Amtliche Nachrichten
Fortbildungsverordnung für Zivilingenieur:innen
Fortbildungsverordnung für Architekt:innen

Ziviltechniker:innen sind mit öffentlichem Glauben versehene, fachkundige Personen. Ihre fachliche Expertise hat vor Gericht Sachverständigen-Status. Sie sind berechtigt, öffentliche Urkunden auszustellen, also das staatliche Siegel zu führen. Die Dienstleistungen, die sie erbringen sind hochkomplexe, technische Planungen, die nicht selten über die Sicherheit von Dienstleistungsempfängern entscheiden. Durch diesen Kanon aus staatlich auferlegter Verantwortung und qualitätsorientierten Leistungserbringung sind staatlich befugte und beeidete ZiviltechnikerInnen einzigartig in Europa.
Der Weg zur Ausübung des ZT-Berufes ist ein steiniger: Nach dem Abschluss eines technischen Studiums muss verpflichtend eine Praxiszeit absolviert und eine positive Ziviltechniker-Prüfung abgelegt werden. Erst nach der Angelobung durch die Landeshauptleute darf die Tätigkeit als Ziviltechniker oder Ziviltechnikerin aufgenommen werden. Diese Zugangsvoraussetzungen sind nicht ohne Grund so streng.


Warum eine Verpflichtung zur Weiterbildung mit Nachweispflicht?

Die ZiviltechnikerInnen wollen gegenüber Öffentlichkeit und Gesellschaft darlegen können, dass sie die Verantwortung, die sie per Eid und Angelobung tragen, ernst nehmen und sich im Interesse der Gesellschaft verpflichtend weiterbilden.
 

„Deregulierungswut“ Europas

Gesetzliche Bestimmungen, die den Zugang zu und die Ausübung von Berufen regeln und damit Qualitätsstandards, Sicherheit und Konsumentenschutz garantieren, stehen seit etlichen Jahren im Fokus der Deregulierungsbestrebungen der EU.
Die Europäische Kommission vertritt eine sehr enge Auslegung jener Gründe für die Reglementierung des Berufszuganges, die mit dem „öffentlichen Interesse“ zu rechtfertigen wären. Ersetzt werden sollen diese Systeme durch eine europa- und weltweite Zertifikatsmaschinerie, die Spezialisierungen unausgebildeter Personen fördert und ein florierendes Geschäftsmodell am Bildungssektor geschaffen hat.


Langjährige Ausbildung versus schnelle Spezialisierung durch Zertifikate

Das bewährte System der Berufszugangserfordernisse für österreichische ZiviltechnikerInnen, das derzeit garantiert, dass ZiviltechnikerInnen über das notwendige Know-how verfügen, um ihre hochkomplexen Dienstleistungen zu erbringen, die direkte Auswirkungen auf die Sicherheit von Menschen, deren Lebensqualität und die Qualität der gebauten Umwelt haben, reicht nun nicht mehr länger aus, um den Berufsstand gegen die Angriffe der Europäischen Union zu verteidigen.

Das ZTG sieht seit seinem Bestehen eine generelle Pflicht zur regelmäßigen Fortbildung vor. Diese war jedoch in der Vergangenheit mit keinen konkreten Erfordernissen hinterlegt. Seit dem ZTG 2019 ist dies anders: Die Bundessektionen der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen wurden ermächtigt, konkrete Verpflichtungen zur Weiterbildung mittels Verordnung zu erlassen (§ 12 Abs. 8 ZTG 2019).
Innerhalb des österreichischen Systems ist vorgesehen, dass Fachkräfte aufgrund ihrer fundierten Grundausbildung umfassend die Zusammenhänge eines gesamten und komplexen Fachgebietes verstehen, während die EU im Bereich der Akkreditierung auf kleinteilige Spezialisierungen in einzelnen Fachbereichen setzt. Die Fähigkeit, sich mit komplexen Zusammenhängen durch vernetztes Denken auseinanderzusetzen, wird dadurch untergraben.

Aufgrund dieser Maßnahme der Marktvereinheitlichung stehen nun im bewährten österreichischen System ausgebildete Sachverständige wie die ZiviltechnikerInnen oftmals vor der Notwendigkeit, sich neuen Prüfungen und Zertifizierungen unterziehen zu müssen, um ihre Tätigkeit in spezifischen Fällen weiterhin ausüben zu können. Die Erlangung dieser Zertifizierungen ist jedoch mit hohen Kosten verbunden, die für KMU eine hohe Belastung darstellen können.

Die Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen ist seit etlichen Jahren bemüht, auf europäischer Ebene die umfassende Qualifikation von ZiviltechnikerInnen darzulegen. Ein wichtiges Argument in diesem Unterfangen ist, die regelmäßige und qualitätsvolle Fort- und Weiterbildung der ZT nachweisen zu können. Eine allgemeine Verpflichtung zur Fortbildung, die wenn, dann nur im Streitfall mit Einzelnen erwiesen sein muss, ist nicht länger ausreichend!

Langfristig werden uns ausschließlich strenge, klar definierte Fortbildungsstandards und Maßnahmen helfen, um die Stellung der ZiviltechnikerInnen auf europäischer Ebene zu verteidigen und auch die Berufsanerkennung im Einzelfall zu erleichtern.

Eine konkretisierte, standardisierte Verpflichtung zur Fortbildung (inklusive strenger Sanktionen bei Nichteinhaltung) ist – insbesondere auf Ingenieurs-Seite – daher unerlässlich. Es ist im Sinne der ZiviltechnikerInnen, ihre fachliche Exzellenz gegenüber Dritten jederzeit belegen zu können.