AzW Podiumsdiskussion: Wer macht die Normen? Ein internationaler Vergleich

Bundeskammerpräsident Aulinger diskutierte mit ExpertInnen aus Österreich und Deutschland, wie man mit demokratiepolitischen Defiziten der Normung umgehen sollte.


Vor einem interessierten – und erstaunlich jungen – Publikum diskutierten dazu am 28.2.2018 im AzW Bundeskammerpräsident Chrstian Aulinger, ASI Direktorin Elisabeth Stampfl-Blaha, der Vizepräsident der deutschen Bundesarchitektenkammer Martin Müller und Konrad Lachmayer, Professor für Öffentliches Recht an der Sigmund Freud Privatuniversität (SFU) in Wien in einer von Matthais Finkentey locker moderierten Podiumsdiskussion.

Lachmayer verwies darauf, dass Normung heutzutage in nahezu alle Lebensbereiche eingreift und damit de facto auch gesellschaftspolitische Entscheidungen trifft. Gleichzeitig ist die Entstehung von Normen nicht an demokratische Grundsätze gebunden, sondern von unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen beeinflusst. Trotzdem erlangen sie oft direkt – durch Verweise in Gesetzen – oder indirekt – in Rechtsstreitigkeiten – Verbindlichkeit. Daher seien besonders hohe Anforderungen an Transparenz, Kontrolle und die Sicherstellung einer ausgewogenen Teilnahme aller Interessensgruppen zu stellen. Lachmayer stellte klar, dass in Hinblick auf Transparenz und Kontrolle das Normengesetz 2016 schon deutliche Verbesserungen gebracht hat. Gelöst sei das Problem aber noch lange nicht. Elisabeth Stampf-Blaha verwies auf die vielfältigen und öffentlich zugänglichen Möglichkeiten sich über die Website oder durch Mitarbeit in Normengremien zu beteiligen. Für Christian Aulinger ist das zu wenig: Auch wenn die Sicherstellung einer ausgeglichenen Beteiligung unterschiedlicher Stakeholder durch das neuen Normengesetz noch stärker in den Mittelpunkt gerückt wurde, seien die Ergebnisse in der Praxis immer noch problematisch. Immer noch würden Normengremien von finanzkräftigen Unternehmen und Institutionen dominiert, die die Möglichkeit haben, bezahlte Mitarbeiter abzustellen, was sich natürlich auch in den Arbeitsergebnissen widerspiegle. Es sei daher zu überlegen, ob unabhängige TeilnehmerInnen am Normungsprozess einen finanziellen Anreiz für ihre Expertentätigkeit erhalten sollten. Martin Müller unterstrich, dass das Problem in einem erhöhten Ausmaß auch für die Normung auf europäischer Ebene zutrifft, aus der ca. 80% aller Normen stammen. Hier sei ein koordiniertes Vorgehen der Verbände der Architekturschaffenden auf europäischer Ebene unverzichtbar, um nachhaltig Einfluss nehmen zu können.

Über die Zukunft der Normung waren sich die ExpertInnen uneinig: Die Gefahr, dass ganz ohne die europäischen Normungsinstitute, die zumindest an gewisse Grundsätze der Beteiligung gebunden sind, der Markt den großen Herstellern und Anbietern überlassen würde, schien aber für alle real.

ÖÄ der Bundeskammer zum Thema Normen

Presseinformation:
OTS-Meldung: „Neues Normengesetz auf Kurs: Ziviltechnikerkammer begrüßt Ministerratsbeschluss“
Abschaffung Mitgliedsbeiträge, mehr Transparenz, stärkere Kontrolle: Wirtschaftsminister setzt grundlegende Reform des Normenwesens in Österreich durch.

Österreicher bauen auf mehr Normen als Schweizer
Mit 200 nationalen Normen kommen die Schweizer im Baubereich aus. In Österreich ist die Zahl um einiges höher. Die Architektenkammer kritisiert den "Wildwuchs" und empfiehlt den Öserreichern, sich bei den Schweizern etwas abzuschauen.
von Regina Bruckner, DerStandard vom 30.10.2015, Printausgabe Seite 17

http://derstandard.at/2000024752707/Oesterreicher-bauen-auf-mehr-Normen-als-Schweizer

"Heftige Kontroversen rund ums Normenwesen"
Reformvorhaben. Der Entwurf für ein neues Normengesetz lässt nach wie vor die Wogen hochgehen. Es geht um staatlichen Einfluss, rechtsstaatliche Grundsätze – und vor allem ums Geld.
von Christine Kary, die Presse vom 29.07.2015, Printausgabe Seite 18 
http://diepresse.com/home/wirtschaft/recht/4789085/Heftige-Kontroversen-rund-ums-Normenwesen?from=suche.intern.portal

Gratis, aber isoliert und kontrolliert?
Kritik am Normungswesen gehörte in der Baubranche in den vergangenen Jahren zum Alltag. Der Entwurf eines Normengesetzes katapultiert die Diskussion nun in eine neue Dimension.
von Sonja Meßner, 21.07.2015, Österreichische Bauzeitung, Printausgabe Seiten 6-7
http://www.bauforum.at/bauzeitung/gratis-aber-isoliert-und-kontrolliert-70777

„Debatte über neues Gesetz gegen ‚Normenflut‘“
Begutachtungsfrist läuft – Lob von Architektenseite – Normungsinstitut ist dagegen
Oberösterreichische Nachrichten,  Print-Ausgabe 04.07.2015

„Entwurf zu Normengesetz lässt die Wogen weiter hochgehen“
Tiroler Tageszeitung Onlineausgabe, 03.07.2015
http://www.tt.com/home/10225414-91/entwurf-zu-normengesetz-l%C3%A4sst-die-wogen-weiter-hochgehen.csp

"Streit über Entwurf für Normengesetz"
ORF.at http://orf.at/stories/2287752/, 03.07.2015

Pressinformation:
OTS-Meldung: "Ziviltechnikerkammer zu neuem Normengesetz: Regierung setzt Schritt in richtige Richtung"

"Normengesetz: Ministerium plant Präzisierungen"
Auch das Wirtschaftsministerium arbeitet an einer Novellierung.
von Christine Kary, die Presse vom 11. Juni 2015, Printausgabe Seite 17
http://diepresse.com/home/wirtschaft/recht/4751669/Normengesetz_Ministerium-plant-Praezisierungen?direct=4751655&_vl_backlink=/home/wirtschaft/recht/4751655/index.do&selChannel=

"ÖNORMEN: Architekten entwerfen Normengesetz. Das Wirtschaftsministerium feilt an einem neuen Normengesetz, die Architektenkammer legt einen eigenen Vorschlag vor. Sie möchte die „Normenflut“ eindämmen."
von Christine Kary, die Presse vom 11. Juni 2015, Printausgabe Seite 17
http://diepresse.com/home/wirtschaft/recht/4751655/ONORMEN_Architekten-entwerfen-Normengesetz

"Architekten unter Normendruck"; Ö1 Mittagsjournal, 23.5.2015
Österreich steuert auf einen Normenkollaps zu, warnt die Architektenkammer und fordert eine Novelle des Normengesetzes. Denn die Flut von Normen sei auch für Fachleute kaum noch zu überblicken. Die Folge: Rechtsunsicherheit und vermeidbare Kosten für die Konsumenten. http://oe1.orf.at/artikel/407519

"Wirbel um Normungsinstitut ASI: Architekten, Unis ziehen Experten ab"
WIEN. Mehr als 20.000 Normen betreffen in Österreich Konsumenten und Hausbauer. Ein Streit erschüttert dieses wichtige Thema.
Oberösterreichische Nachrichten, Alexander Zens 31. Januar 2014, Printausgabe Seite 8
http://www.nachrichten.at/nachrichten/wirtschaft/Wirbel-um-Normungsinstitut-ASI-Architekten-Unis-ziehen-Experten-ab;art15,1293562

"Normen: Mitarbeiten? Bitte zahlen"
450 Euro wird Austrian Standards ab 2014 von jenen Experten einheben, die bei der Entwicklung von Normen mitwirken wollen.
31.10.2013 | (Die Presse) | Printausgabe Seite 21 und online:
http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/1470810/Normen_Mitarbeiten-Bitte-zahlen?_vl_backlink=/home/wirtschaft/index.do

"300 Mio. Euro Sparpotenzial im Dschungel der Bau-Vorschriften
Österreichs Architekten stöhnen unter Hunderten neuen Normen pro Jahr.
"
Von Markus Schramek, Tiroler Tageszeitung, 18.10.2013
http://www.tt.com/wirtschaft/wirtschaftspolitik/7336341-91/300-mio.-euro-sparpotenzial-im-dschungel-der-bau-vorschriften.csp

"Architekten wollen billiger bauen"
Conrad Seidl, 07.08.2013
Präsident der Ziviltechniker Georg Pendl kritisiert Flut an Normen und sieht 300 Millionen Euro Sparpotenzial
http://derstandard.at/1375625951595/Architekten-wollen-billiger-bauen

"Eine Milliarde Euro an Mehrkosten durch Normenflut" - derStandard.at
Eric Frey, 12. Juni 2013
Architekten-Bundesvorsitzender Aulinger fordert ein grundlegend neues Normenwesen
http://derstandard.at/1369363529467/Eine-Milliarde-Euro-an-Mehrkosten-durch-Normenflut

"Wohnen: Bürokratie frisst 300 Mio." - DiePresse.com
 07.06.2013 |  (Die Presse Printausgabe)Die Regierung bastelt noch am Maßnahmenpaket. Architektenkammer fordert ein Durchforsten der wuchernden Auflagen und runden Tisch mit dem Wirtschaftsminister.
http://m.diepresse.com/home/politik/innenpolitik/1416197/index.do?_vl_backlink=/home/politik/innenpolitik/index.do

"Alles sieht irgendwie gleich aus" - Wirtschaftsblatt.at
24.05.2013, 10:01  von Melanie Manner    
Immobilien. Die Normenflut im Wohnbau ist stark unter Beschuss. Durch sie schnalzen nicht nur die Baukosten in die Höhe: Auch der Gestaltungsspielraum verringert sich zusehends.
http://wirtschaftsblatt.at/home/life/immobilien/1409286/Alles-sieht-irgendwie-gleich-aus?from=suche.intern.portal

 

Parlamentarische Bürgerinitiative betreffend ein Normengesetz

Der nachfolgende Text dient der Dokumentation. Die Unterschriftensammlung wurde im November 2015 beim Stand von über 3.100 Unterschriften beendet. Herzlichen Dank an alle, die unterschrieben haben!


Durch die erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit der bAIK ist es uns gelungen, mehrfach die kritische Auseinandersetzung mit dem Austrian Standards Institute (ASI) in die breite Öffentlichkeit zu tragen.
Das Regierungsprogramm des Kabinetts Faymann II sieht nun eine Überarbeitung des Normengesetzes vor. Dies ist ein großer Erfolg der zeigt, dass uns die Geschlossenheit innerhalb der Berufsvertretung den gesteckten Zielen deutlich näher bringt.

Um den poltischen Druck bezüglich der Umsetzung unserer Forderungen in der Neugestaltung des Normierungsprozesses aufrecht erhalten zu können, setzen wir die erfolgreiche Unterschriftenaktion fort und ersuchen weiterhin um Unterstützung:
 

Unsere Forderungen nach einer Reform des Normengesetzes.
Die Kritikpunkte liegen klar auf der Hand: Das ASI produziert immer mehr Normen. Knapp 25.000 Normen gibt es in der Republik, gut ein Viertel (6.000) betreffen das Bauwesen. Damit hat sich die Anzahl der Normen seit dem Ende der Ersten Republik ver-35-facht. Planungsprozesse werden damit immer komplizierter, PlanerInnen werden unnötigen Haftungsrisken ausgesetzt und der Bezug der Normen kostet viel Geld. Allein die Länderkammern der Architekten und Ingenieurkonsulenten zahlen jährlich für die Normenpakete einen Bruttobetrag von EUR 557.000 an das ASI. Das Fass zum Überlaufen brachte aber die Nachricht, dass das ASI ab 2014 einen 450 Euro-Beitrag von jenen ExpertInnen einheben will, die ihre Gratis-Expertise in den ON-Komitees zur Verfügung stellen. Die bAIK lehnt die Einhebung eines solchen Betrages entschieden ab!


Bürgerinitiative: Durch Entrümpelung und Transparenz Geld sparen!
Das Normengesetz stammt in seinen Grundzügen aus dem Jahr 1954. Die bAIK ist daher der Meinung, dass eine Reform des Normierungsprozesses in Österreich dringend notwendig ist und startet eine Unterschriftensammlung für ein Normengesetz, das folgende Punkte berücksichtigt:

  • Entrümpelung der bestehenden Normen: Bestehende Normen sollen in Hinblick auf negative Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung evaluiert werden. Bei Normen im Bereich Bauwesen sollen Auswirkungen auf die Baukosten, denen kein (ausreichender) Nutzen gegenübersteht, überprüft werden.
  • Transparenz der Normerzeugung: Mit einer neuen Norm verbundene Kosten und deren Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung sollen geprüft werden. Zudem soll verpflichtend offengelegt werden, wer an welchen Normen mitwirkt.   
  • Einrichtung eines PlanerInnenrates: Im Rahmen einer Neufassung des Normengesetzes soll nach dem Vorbild des beim Deutschen Institut für Normung bestehenden „Verbraucherrates“ ein PlanerInnenrat eingerichtet werden. Dieser soll aus VertreterInnen (herstellerunabhängiger) planender Berufe zusammengesetzt sein und der Kostenexplosion durch neue Normen entgegen wirken. Über den PlanerInnenrat soll eine teilweise Entschädigung der Arbeit herstellerunabhängiger, die Interessen der Allgemeinheit vertretender, ExpertInnen in den Normenkomitees erfolgen.
  • Steigerung der Effizienz des Austrian Standards Institutes (ASI): Es soll eine Evaluierung der Effizienz der Strukturen des ASI im internationalen Vergleich erfolgen. Im Rahmen einer Novelle des Normengesetzes sollen wirksame Aufsichtsrechte geschaffen werden.

Bitte unterstützen Sie unsere Forderung zum Normengesetz und sammeln Sie so viele Unterschriften, wie möglich! Denn eine hohe Unterschriftenzahl demonstriert die Geschlossenheit unserer Berufsgruppe.



Und so geht‘s:
Sammeln Sie mit diesem Formular so viele Unterschriften wie möglich

  •     Lassen Sie uns diese dann per Post oder Fax zukommen
  •     Oder scannen Sie das Formular ein und senden Sie uns dieses per Mail an office@arching.at



Hinweis: Unterschreiben kann jeder, also nicht nur ZiviltechnikerInnen, sondern etwa auch Studierende, MitarbeiterInnen, Angehörige, etc. Die gesammelten Unterschriften werden an das Parlament weitergeleitet.

 

"Normenpolitik unserer Kammer"

Das Thema Normung wird in Politik und Medien intensiv diskutiert. Dazu haben wir Ziviltechniker(innen) einen wichtigen Beitrag geleistet, beginnend mit der Initiierung einer parlamentarischen Enquete der Obfrau des Bautenausschusses im Oktober 2012.

Wir waren auch die Ersten, die die Systemfehler der Normung aufgezeigt haben. Einer dieser Fehler ist, dass viele Normen bei den Anwender(inne)n nicht ankommen, ua. deshalb, weil sie viel zu teuer sind. Für unsere Berufsgruppe konnten wir dieses Problem durch die mit dem ASI vereinbarten „Normenpakete“ langfristig lösen.

Auch die Politik hat inzwischen den Handlungsbedarf erkannt. Eine Reform des Normenwesens ist Gegenstand des Regierungsprogramms. Das Wirtschaftsministerium arbeitet an dessen Umsetzung und hat den Entwurf einer „Normenstrategie“ und eines neuen, zeitgemäßen Normengesetzes vorgelegt. Dieser Entwurf geht in die richtige Richtung, er greift auch etliche Vorschläge des von unserer Bundeskammer zur Diskussion gestellten eigenen Gesetzesentwurfes auf.

Das ASI leistet dagegen starken Widerstand. Da der Reformbedarf auf dem Gebiet des Normenwesens nicht nur in Österreich, sondern europaweit besteht, fühlen sich nicht nur das ASI, sondern auch andere Normenorganisationen (die mit dem ASI personell verflochten sind) wie das deutsche DIN oder die internationale Normenorganisation ISO auf den Schlips getreten. Offensichtlich haben wir einen wunden Punkt getroffen.

Wir sehen diese Diskussionen und Entwicklungen als Erfolg unserer Initiativen. Dennoch müssen wir realistisch bleiben. Auch ein neues Gesetz wird nicht alle Probleme lösen, schon gar nicht kurzfristig. Auch wenn ein neues Normengesetz die „Spielregeln“ der Normierung verändert, bleibt damit der bestehende Stand an Normen zunächst unverändert, und werden sich Verbesserungen erst schrittweise im Rahmen neuer Normierungsprojekte bemerkbar machen.

Besonders wichtig dabei aus meiner Sicht: Wir müssen bewusst machen, dass Normen nur bedingt den Stand der Technik darstellen und den Hausverstand keinesfalls ersetzen können. Auch das sollte im neuen Normengesetz klargestellt werden.

Dipl.-Ing. Erich Kern, Vorsitzender des Ausschusses Normen